Peter Scheller
Berater für Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Steuer- und Unternehmensberater

„Wenn es knifflig wird.“

Deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer

von Autorenteam

Internationale Fälle (Teil 1)

Deutschland hat eine Erbschaft- und Schenkungsteuer, die Erbschaften und Schenkungen im nationalen und internationalen Kontext einer Besteuerung unterwirft. Diese umfasst die Vermögensübertragung von Steuerinländern und Steuerausländern. Sofern die steuerpflichtigen Personen im Inland ansässig sind, unterliegt das weltweite Vermögen im Erbfall der Steuer (unbeschränkte Steuerpflicht). Bei Steuerausländern wird im Regelfall nur das deutsche Vermögen besteuert (beschränkte Steuerpflicht), wobei es insbesondere für Steuerinländer, die ihre Ansässigkeit in das Ausland verlegen, Ausnahmen gibt. Wir werden in einer Serie von Artikeln die Szenarien grenzüberschreitender Erbfälle und Schenkungen aus deutscher Sicht beschreiben.

Besteuerungssystem im Vergleich zu anderen Staaten

Staaten haben sehr unterschiedliche Besteuerungssysteme in Bezug auf die unbeschränkte Steuerpflicht im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht:

  • Einige Staaten erfassen grundsätzlich nur einen Transfer auf einen Nachlass, der eine von den beteiligten Personen abgespaltene rechtliche Einheit bildet. Besteuert wird ein Erbfall im Ganzen (Nachlasssteuer). Dies sind insbesondere die Rechtsordnungen des anglo-amerikanischen Rechtskreises wie beispielsweise die USA, Großbritannien oder Südafrika.
  • Andere Staaten besteuern die Bereicherung des jeweiligen Empfängers einer Erbschaft oder Schenkung. Der Unterschied zur Nachlasssteuer ist, dass die Steuerpflicht nur den Erben oder Beschenkten treffen. Deutschland erfasst im Gegensatz zu anderen Staaten sowohl den Erblasser oder Schenker als auch den Empfänger einer Erbschaft (insbesondere Erben oder Vermächtnisnehmer) bzw. der Schenkung. Ein weiterer Unterschied zur Nachlasssteuer ist, dass die familiäre Nähe zwischen Erblasser oder Schenker und Empfänger Einfluss auf die Besteuerung hat. Dies wirkt sich insbesondere auf die Höhe der Steuersätze und der persönlichen Freibeträge aus.

Der Unterschied lässt sich im folgenden Beispiel gut darstellen:

Ein in Deutschland ansässiger Erblasser vererbt an seine beiden Söhne Grundstücke in Deutschland. Beide Söhne leben in den USA. In den USA wird keine Erbschaftsteuer erhoben, weil der Erblasser nicht in den USA steuerpflichtig ist (kein Nachlass in den USA) und auch kein US-amerikanisches Vermögen übertragen wird. In Deutschland unterliegt der gesamte Erbanfall der Erbschaftsteuer, weil der Erblasser in Deutschland ansässig war.

Fast alle Staaten mit einer Erbschaft- und Schenkungssteuer besteuern daneben das inländische Vermögen, selbst wenn Erblasser, Schenker oder Erwerber im Ausland ansässig sind. Die Regelungen sind allerdings in den Staaten sehr unterschiedlich. Wesentliche Unterschiede gibt es insbesondere hinsichtlich der Definition, was als Inlandsvermögen zu klassifizieren ist.

Daneben gibt es eine Anzahl von Staaten, die überhaupt keine Erbschaft- oder Schenkungsteuer erheben. In einigen Fällen wird der Erbfall im Rahmen der Einkommensteuer erfasst. Diese Länder behandeln den Transfer des Vermögens als fiktive Veräußerung. Dies ist beispielsweise in Kanada oder Schweden der Fall.

Es gibt auch Unterschiede bei der Bestimmung der steuerpflichtigen Person. Fast alle Staaten besteuern im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht nur Personen, die im entsprechenden Land ansässig sind. Eine wesentliche Ausnahme stellen insoweit die USA dar. Sie besteuern grundsätzlich ihre Staatsbürger oder Personen mit Daueraufenthaltsberechtigung in den USA (Green Card Holder), selbst wenn diese nicht in den USA ansässig sind. Wäre in dem oben genannten Beispiel der Erblasser ein in Deutschland ansässiger US-Staatsbürger, würden die USA den Nachlass besteuern.

Daneben spielt in einigen Staaten insbesondere des angelsächsischen Rechtskreises der Begriff des Domizils eine entscheidende Rolle. In Großbritannien unterscheidet sich der Begriff des Domizils von der Ansässigkeit für in Großbritannien Geborene erheblich. So unterliegen diese Personen aufgrund ihres Domicile of Origin weiterhin der britischen Erbschaftsteuer, selbst wenn sie schon längere Zeit im Ausland leben. Weiteres hierzu in https://www.gov.uk/hmrc-internal-manuals/residence-domicile-and-remittance-basis/rdrm22100).

Die unterschiedlichen Definitionen der steuerpflichtigen Person können zu Doppelbesteuerungsszenarien führen. So könnte ein in Deutschland lebender britischer Staatsbürger sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien unbeschränkt steuerpflichtig sein; in Deutschland aufgrund der Ansässigkeit und in Großbritannien aufgrund seines Domicile of Origin. In einigen Fällen wird die Doppelbesteuerung durch Doppelbesteuerungsabkommen verhindert oder gemildert. Allerdings hat Deutschland nur ein sehr beschränktes Netz von Doppelbesteuerungsabkommen, nämlich mit Frankreich, Schweden, Dänemark, Griechenland, der Schweiz und den USA. Mit Großbritannien besteht ein solches Abkommen nicht.

Der Einfluss des Zivilrechtes auf die Erbschaftsteuer

Die deutsche Erbschaftsteuer ist stark durch das Zivilrecht, besonders das Erbrecht und das Ehegüterrecht, geprägt. Die im Ertragsteuerrecht übliche wirtschaftliche Betrachtungsweise kommt nur in Ausnahmefällen zur Anwendung. Da das deutsche Erbschaftsrecht auch ausländische Sachverhalte erfasst, kann damit in bestimmten Fallkonstellationen auch ausländisches Zivilrecht Einfluss auf die steuerliche Handhabung in Deutschland haben.

Welches Zivilrecht zur Anwendung kommt, wird durch das jeweils in den Staaten geltende internationale Privatrecht geregelt. Im internationalen Erbrecht gibt es zwei wesentliche Systeme:

  • Nachlassspaltung: Nach diesem System wird immobiles Vermögen immer aufgrund des Erbrechtes des Belegenheitsstaates vererbt, während mobiles Vermögen aufgrund des Erbrechtes des Staates vererbt wird, in dem der Erblasser im Todeszeitpunkt ansässig war. Dies kann zur Anwendung zweier Erbrechte auf einen Nachlass führen (Nachlassspaltung). Dies gilt vor allen Dingen für Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises.
  • Nachlasseinheit: In vielen anderen Staaten gilt das Prinzip der Nachlasseinheit. Das bedeutet, dass das gesamte Vermögen einschließlich aller Immobilien nur nach dem Recht eines Staates vererbt wird. Seit 2015 gilt in der EU außer Dänemark und Irland die EU-Erbrechtsverordnung. Nach dieser gilt für den Gesamtnachlass das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers. Sofern der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes nicht in seinem Heimatsstaat ansässig ist, kann er durch testamentarische Anordnung die Anwendung seines Heimatrechtes wählen.

Es ist offensichtlich, dass die unterschiedlichen Konzepte zu Kollisionen führen können. Das wird weitestgehend durch Verweisregelungen aufgelöst.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht in der rechtlichen Wirkung im Todeszeitpunkt. Nach deutschem Recht geht der gesamte Nachlass direkt im Zeitpunkt des Todes des Erblassers auf den oder die Erben, diese in Erbengemeinschaft, über. Dies gilt sowohl für die gesetzliche als auch die testamentarische Erbfolge. Zum Nachweis seiner Berechtigung muss der Erbe beim zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein beantragen. Es reicht auch ein mit einem Eröffnungsvermerk versehenes Testament aus. Weitere Formalien sind nicht notwendig, insbesondere bedarf es auch keines Nachlassverfahrens. Dies ist insbesondere in Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises anders. Hier geht das Vermögen auf den Nachlass über, der durch einen testamentarisch oder gerichtlich bestellten Verwalter – ausgestattet mit weitreichendenden Kompetenzen – vertreten wird. Nach Abwicklung des Nachlassverfahrens wird das Restvermögen an die Erben oder sonstige Berechtigte ausgekehrt. Die Erben werden also – anders als nach deutschem Recht – nicht direkt Eigentümer oder Besitzer des Nachlasses.

Es gibt weitere Bereiche, in den sich die Erbrechte der Staaten zum Teil erheblich unterscheiden:

  • Es gibt Staaten, in denen leibliche Abkömmlinge und Ehegatten eine starke Rechtsposition im Erbfall haben. Die starke Position insbesondere der Kinder kennt der romanische Rechtskreis, in dem Kinder praktisch nicht vollständig enterbt werden können (z.B. Spanien, Frankreich, Italien). Auf der anderen Seite steht der anglo-amerikanische Rechtskreis, der dem Erblasser eine weitgehende Testierfreiheit einräumt. Der zentraleuropäische – und damit auch der deutsche – Rechtskreis steht zwischen den beiden Extremen. In Deutschland kann der Erblasser sowohl Ehepartner als auch Kinder von der Erbfolge ausschließen. Diese haben dann aber einen gesetzlichen Baranspruch gegen die Erben in Höhe der Hälfte der Erbquote.
  • Deutschland kennt gegenseitig bindende Testamente. Ein besonders weitverbreitetes ist das sogenannte „Berliner Testament“, in dem sich die Ehepartner gegenseitig zum Alleinerben einsetzen. Zulässig sind daneben auch Erbverträge zwischen Erblasser und den potenziellen Erben, in denen die Vertragspartner die Folgen für den Erbfall zu Lebzeiten festlegen. Entsprechende gegenseitige Testamente und Erbverträge sind insbesondere in Staaten des romanischen Rechtskreises meistens unzulässig und entfalten keine Wirkung, wenn das dortige Erbrecht zu Anwendung kommt.
  • In vielen Staaten sind sämtliche rechtlichen Verfügungen, die über den Tod hinausgehen, untersagt. In Deutschland ist dies nicht der Fall. So können beispielsweise Erbberechtigte zu Lebzeiten einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht aussprechen. In anderen Staaten insbesondere des romanischen Rechtskreises sind solche vertraglichen Regelungen unzulässig. Auch Vollmachten über den Tod hinaus sind in Deutschland zulässig, in anderen Staaten aber nicht.
  • Weitere Unterschiede ergeben sich auf die formalen Anforderungen an Testamente. In Deutschland muss ein Testament handschriftlich errichtet und vom Erblasser unterzeichnet werden. Eine Ausnahme hiervon gilt nur für Testamente, die vor einem Notar bestellt werden. In anderen Staaten gibt es zum Teil erheblich abweichende Regelungen. So müssen beispielsweise in einigen Rechtsordnungen des anglo-amerikanischen Rechtskreises Testamente zwingend von Zeugen mitunterzeichnet werden.
  • Deutschland besitzt nur ein einheitliches Erbrecht. Das ist in anderen Staaten anders. So hat jeder US-Bundesstaat oder jede Provinz in Kanada sein/ihr eigenes Erbrecht. Auch Großbritannien hat kein einheitliches Erbrecht. So gibt es in England und Wales ein Erbrecht, während Schottland sein eigenes Recht hat.

Es gibt eine Vielzahl weiterer Unterschiede des Erbrechtes in verschiedenen Staaten, die an dieser Stelle aber nicht erörtert werden können.

Autoren:

Peter Scheller, Steuerberater, Master of International Taxation, Fachberater für Zölle und Verbrauchsteuern

Rainer Scheller: Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

Bildquelle: www.fotalia.com

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Kommentare

Kommentar von Karl |

Sehr interessanter Beitrag! Nachdem ich mich vor einigen Monat schon in einem Rechtsfall mit Begriffen des Strafrechts herumschlagen musst, wobei ich jedoch zum Glück die Unterstützung von https://www.eckstein-kollegen.de/kompetenzen/wirtschaftsstrafrecht/ an meiner Seite hatte, muss ich mich nun aus betrieblichen Gründen mit der Schenkungssteuer beschäftigen. Da ich mich nicht sehr gut mit dem Thema auskenne, bin ich froh, auf euren Artikel gestoßen zu sein und bin jetzt gut über die neuesten Regelungen informiert. Danke für den informativen Beitrag!

Kommentar von Lawmawer56 |

Im privaten Bereich ist der Freibetrag der Schenkungssteuer angemessen. Im betrieblichen oder wirtschaftlichen Sektor allerdings ein Witz. Jeder Anwalt für Erbrecht hilft doch die Schenkungssteuer und Erbschaftssteuer zu soweit zu senken, dass es nur noch einen Bruchteil ausmacht. Da sind die Gesetze in Deutschland noch löchrig.

Antwort von Peter Scheller

Das ist politisch gewollt. Ob es gerecht ist, ist eine andere Frage.

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