Peter Scheller
Berater für Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Steuer- und Unternehmensberater

„Wenn es knifflig wird.“

Europäischer Gerichtshof als Sphinx? (1)

von Peter Scheller

Europäischer Gerichtshof als Sphinx? (1)

Der europäische Gerichtshof fällt insbesondere im direkten Steuerrecht eine Vielzahl von Urteilen, die selbst erfahrensten Kommentatoren und Steuerprofessoren Rätsel aufgeben. Manchmal hat man das Gefühl, in Luxemburg residiert eine Sphinx, die allen Rätsel aufgeben will.

Die Sphinx der griechischen Mythologie hielt sich auf einem Berg außerhalb Thebens auf und gab den vorbeikommenden Reisenden ein Rätsel auf. Diejenigen, die das Rätsel nicht lösen konnten, wurden von ihr erwürgt und dann verschlungen. Die Richter des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg erwürgen und verschlingen zwar niemanden. Aber Rätsel geben ihre Richtersprüche schon auf. Dies gilt insbesondere im direkten Steuerrecht.

Direkte Steuern sind solche, die direkt von Schuldner erhoben werden. Dies sind beispielsweise Einkommen- und Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer. Aber auch Steuern wie Erbschaft- oder Schenkungsteuer gehören dazu. Indirekte Steuern sind solche, bei denen Schuldner und Träger der Steuer auseinander fallen. Dies sind beispielsweise die Umsatzsteuer, auch Mehrwertsteuer genannt, und die Verbrauchsteuern wie Energie-, Tabak- oder Alkoholsteuer.

Die Tatsache, dass die Rechtsprechung insbesondere bei den direkten Steuern manchmal so undurchsichtig ist, hat vielfältige Gründe:

  • Die direkten Steuern sind in der Europäischen Union von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht harmonisiert. Deshalb gibt es – von diesen Ausnahmen abgesehen – keine Richtlinien oder Verordnungen. Nationale Steuerregelungen werden vom EuGH fast durchgängig lediglich daraufhin untersucht, ob diese gegen die Freizügigkeitsrechte des AEUV verstoßen. Damit muss der EuGH aus relativ knapp gefassten Vertragspassagen ein in der Praxis anzuwendendes Rechtssystem ableiten. Das ist natürlich schwieriger, als wenn Richtlinien und Verordnungen vom EU-Gesetzgeber vorgegeben werden.
  • Außerdem entscheidet der EuGH erklärtermaßen immer nur über die ihm vorgelegte Fragen. Grundsatzentscheidungen sind außerordentlich selten. Deshalb werden rechtliche Fragen zu denselben Themenbereichen immer wieder vorgelegt. Ein vollständiges Bild zu einem Rechtsgebiet ergibt sich überhaut erst – wenn überhaupt – nach einer ganzen Serie von Entscheidungen. Und dann kommt es immer wieder vor, dass sich im Zeitablauf Entscheidungen zu widersprechen zu scheinen und manchmal auch widersprechen. Und der Gerichtshof ändert häufiger auch seine Rechtsprechungslinie. Kein Wunder, dass selbst ausgemachte Experten anmerken, dass sie die Rechtsprechungsentwicklung des EuGH nicht prognostizieren können.
  • Und manchmal hat man auch das Gefühl, dass Entscheidungen politisch geprägt und damit nicht so sehr rechtsdogmatischen fundiert sind. Die Entscheidung in der Rechtssache Block ist ein beredtes Beispiel.

In einem zweiten Teil werden wir die aktuellen Entwicklungen der Rechtsprechungsentwicklung darstellen.

Die EU-Richtlinie bei den direkten Steuern sind übrigens:

  • Fusionsrichtlinie
  • Mutter-Tochter-Richtlinie
  • Zinsbesteuerungsrichtlinie
  • Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie

Autor: Peter Scheller, Steuerberater – Master of International Taxation

Bildquelle: www.fotalia.com

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