Peter Scheller
Berater für Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Steuer- und Unternehmensberater

„Wenn es knifflig wird.“

Praxisprobleme in der Umsatzsteuer

von Peter Scheller

Praxisprobleme in der Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer war früher eine relativ einfach zu verstehende und anzuwendende Steuer. Im letzten Jahrzehnt hat sich die Umsatzsteuer aufgrund des europäischen Einflusses, diverser Ausnahmeregelungen und Systembrüche und einer damit einhergehenden Flut von Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsanweisungen zu einer höchst komplexen Gesetzesmaterie entwickelt.

Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) hat jetzt dankenswerterweise ein Schreiben an das Bundesfinanzminsiterium gerichtet und Vorschläge zur Steuervereinfachung gemacht:

Neugestaltung der umsatzsteuerlichen Organschaft

Hier schlägt die BStBK ein Wahlrecht für Unternehmen vor. Dies würde die Rechtsunsicherheit für Unternehmen deutlich senken.

Meine Anmerkungen:

  1. Ob der Art. 11 MWStSystRL tatsächlich ein solches Wahlrecht zulässt, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen. Es ist meiner Meinung nach ungeklärt, ob Mitgliedsstaaten ein solches Wahlrecht vorsehen dürfen.
  2. Ob die Finanzverwaltung die Rechtssicherheit wirklich erhöhen will, muss man manchmal bezweifeln. Immerhin führen in Betriebsprüfungen festgestellte Fehler  – tatsächliche oder durch die Finanzverwaltung behauptete – zu erheblichen Mehreinnahmen für die Staatskasse. Und Betriebsprüfern scheint es häufig nur noch um das steuerliche Mehrergebnis und nicht um die gesetzlich geforderte Richtigkeit der Besteuerung zu gehen.

Abgabe Zusammenfassende Meldung

Ein ewiges Ärgernis mit der Folge eines Verwaltungsmehraufwandes sind die unterschiedlichen Abgabetermine für Umsatzsteuer-Voranmeldung und Zusammenfassende Meldung. Die BStBK schlägt vor, diese so weit es europarechtliche Vorgaben erlauben, aneinander anzupassen.

Meine Anmerkung:

Unsere Steuerpolitiker sollten mal etwas Vernünftiges tun und in Brüssel auf eine entsprechende Änderung des Mehwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) drängen.

Grenzen der Kleinunternehmerregelung

Die Grenzen sind seit mehr als 10 Jahren unverändert. Natürlich hat die BStBK recht, wenn sie eine inflationsgerechte Anpassung fordert und auf den entsprechenden Vereinfachungseffekt für Kleinstunternehmer und Finanzverwaltung hinweist.

Voranmeldungen bei Existenzgründern

Diese müssen in den ersten 24 Monaten unabhängig von Umsatzgrößen monatliche Voranmeldungen abgegeben. Auch insoweit weist die BStBK zu recht auf den unverhältnismäßigen Aufwand für Existenzgründer und Finanzverwaltung hin.

Selbstanzeige und Umsatzsteuer-Voranmeldungen

Die geplanten Änderungen bei der strafbefreienden Selbstanzeige können Nachmeldungen bei fehlerhaften Voranmeldungen oder deren verspäteter Abgabe für die Beteiligten problematischer machen. Zu diesem Thema siehe auch den Beitrag Steuerhinterziehung durch verspätete Abgabe von Erklärungen und Anmeldungen. Die BStBK befürchtet – möglicherweise nicht zu Unrecht – die Kriminalisierung beauftragter Mitarbeiter in den Unternehmen und fordert insoweit Augenmaß.

Reformbedarf beim Reihengeschäft

Die Regelungen zum Reihengeschäft sind insbesondere für Im- und Exportwirtschaft mit vielen Unsicherheiten behaftet. Außerdem sind sie in der Praxis schwer anzuwenden, weil die zugrundliegenden Reihengeschäfte (in der Praxis auch Streckengeschäfte genannt) vielschichtig und komplex sind. Die BStBK schlägt vor, als einziges unwiderlegbares Indiz für die Verschaffung der Verfügungsmacht auf die Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr) des mittleren Unternehmers abzustellen.

Meine Anmerkungen:

  1. Grundsätzlich würde der Ansatz des BStBK zu mehr Rechtssicherheit führen. Aber eine ganze Reihe von Fragen werden dadurch nicht geklärt, wie beispielsweise
    • Reihengeschäfte mit mehr als drei Unternehmern
    • Reihengeschäfte unter Beteiligung von Drittlandsunternehmen, die keine USt-IdNr. haben
  2. Ein wirklich gravierendes Problem der Reihengeschäftsregelungen kann der Vorschlag der BStBK nicht lösen. Es gibt immer wieder Konstellationen, in denen Unternehmen durch die Regelungen gezwungen werden, sich im Ausland registrieren lassen zu müssen. Dann sind sie verpflichtet, dort alle steuerlichen Pflichten zu erfüllen, was immer zu einem erheblichen Zusatzaufwand führt. Die wirkliche Herausforderung wäre, ein System zu entwickeln, dass genau diese Schwierigkeiten vermeidet. Wären unsere Finanzpolitiker volkswirtschaftlich orientiert, müsste dieses Thema ganz oben auf der Prioritätenliste stehen.

Autor: Peter Scheller, Steuerberater – Master of International Taxation

Bildquelle: www.fotalia.com

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