„Strafbesteuerung“ ausländischer Fonds europarechtswidrig?
von Peter Scheller
Das deutsche Investmentsteuergesetz sieht eine Pauschalbesteuerung für Investmentfonds und -gesellschaften vor, die nicht den besonderen Veröffentlichungspflichten im elektronischen Bundesanzeiger nachkommen. Dort müssen entsprechende Investmentgesellschaften detaillierte Angaben zu steuerlich relevanten Daten der Fonds machen. Tun sie dies nicht, liegt ein so genannter schwarzer Fonds vor.
Die Qualifikation als schwarzer Fonds führt zu einer pauschalen Besteuerung bei den Fondsanlegern, die man getrost als Strafbesteuerung ansehen kann. Geregelt ist diese Besteuerung in § 6 InvStG. Häufig führt diese Besteuerungsregel zu unverhältnismäßig Ergebnissen. So kommt es unter anderem selbst bei signifikanten Verlusten des Fonds immer zu einer Mindestbesteuerung. Da die Regelung eindeutig auf ausländische Investmentfonds zugeschnitten ist, wird diskutiert, ob die Regelung europarechtswidrig ist.
Eine instruktive Zusammenfassung des momentanen Rechtsstandes liefern
Brielmaier/Wünsche in IStR 2013, 731.
Die Autoren analysieren auch sehr schön, weshalb die Regelung des § 6 InvStG wahrscheinlich nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.
Aber ein Aspekt fehlt mir in der ganzen Auseinandersetzung:
Die Diskussion wird hauptsächlich aus Sicht der Fonds- oder Investmentgesellschaften geführt. So wird beispielsweise das Vergleichspaar in- und ausländischer schwarzer Fonds gebildet. Dabei wird aber übersehen, dass der eigentlich Betroffene der Anleger ist, der im Inland ansässig ist. Und genau hier setzt der nachfolgende Gedanke an.
Im Ausland, und insbesondere in der anglo-amerikanischen Welt, dienen Fondsanlagen häufig als Rückgrat der Alterssicherung. Sie sind dabei regelmäßig eine der wesentlichen Anlageformen im Rahmen der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge. In der Praxis trifft man immer wieder Expatriats, die nach Deutschland kommen und an betrieblichen Pensionsplänen teilnehmen, die auf Fondsanlagen basieren. Gerade bei britischen Staatsangehörigen, die zum Arbeiten nach Deutschland kommen, finden sich solche betrieblichen oder privaten Altersvorsorgepläne.
Die britischen Investmentgesellschaften sind von ihrer Grundausrichtung überhaupt nicht auf den deutschen Geldanleger fokussiert. Sie wollen eigentlich nur Staatsangehörige der angelsächsischen Welt bedienen. Aus diesem Grund veröffentlichen sie auch keine steuerlichen Werte im elektronischen Bundesanzeiger. Das Problem haben jetzt aber die Ausländer, die zum Arbeiten nach Deutschland kommen. Sie sehen sich plötzlich einer Strafbesteuerung ausgesetzt, wenn sie an ausländischen Pensionsplänen teilnehmen.
Eine Missbrauchsabsicht ist hier weder aus Sicht der Fondsanbieter noch der ausländischen Mitbürger zu erkennen, die die Fonds unglücklicherweise im Gepäck mit nach Deutschland bringen. Die Zielrichtung des § 6 InvStG trifft hier eine unglückliche Gruppe von Steuerpflichtigen, an die man bei Abfassung der Regelung wohl überhaupt nicht gedacht hat. Für diese Gruppe führt die pauschale Besteuerung aber zu vollkommen unakzeptablen Ergebnissen, denen sie sich auch nicht entziehen können.
Das eigentliche Vergleichspaar ist in diesen Fällen die ausländische Privatperson mit betrieblichem oder privaten Altersvorsorgeplan und die inländische Privatperson mit entsprechenden im Inland geförderten privaten oder betrieblichen Vorsorgeplänen. Der zuziehende Ausländer wird aufgrund fehlender Anspruchsvoraussetzungen keine steuerliche Förderung seiner ausländischen Vorsorgeanlagen erhalten. Er wird darüber hinaus auch noch strafbesteuert. Und inzwischen handelt es sich bei den betroffenen Zuzüglern um eine auch zahlenmäßig ganz stattliche Gruppe.
Bei dieser Sachlage stellt sich die Frage, ob die Regelung des § 6 InvStG ohne Möglichkeit des Gegenbeweises nicht gegen eine ganz andere Grundfreiheit als die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, nämlich beispielsweise gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die Regelung des § 6 InvStG könnte nicht nur theoretisch Arbeitnehmer aus dem Ausland abhalten, eine Arbeitsstelle im Inland zu suchen und nach Deutschland zu ziehen. Ein pauschaler Missbrauchsvorwurf ist bei dieser Personengruppe vollkommen abwegig, weil diese im Ausland an geförderten oder zumindest nicht extensiv besteuerten Vorsorgepläne teilgenommen haben, die sich beim Zuzug nach Deutschland als unverhältnismäßige Steuerfalle entpuppt. Und wie gesagt, Einzelfälle sind dies nicht.
Vielleicht ist es lohnenswert, den § 6 InvStG einmal aus dieser Sicht zu beleuchten.
Autor: Peter Scheller, Steuerberater – Master of International Taxation
Bildquelle: www.fotalia.com
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