Technologieförderung und Sozialversicherung (3)
von Peter Scheller
Im ersten Beitrag zu diesem Thema haben wir dargestellt, welche Fragen sich stellen, wenn die inländische Sozialversicherungspflicht im Projekt eingesetzter Arbeitnehmer ein Kriterium für die Förderfähigkeit von Personalaufwendungen ist. Im zweiten Beitrag haben wir die Auswirkungen einer Arbeitnehmerentsendung auf die Technologieförderung untersucht. Wir haben dies anhand des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand getan. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit Fällen, in denen die Personalkosten für im Ausland lebende und/oder tätige Arbeitnehmer förderfähig sind, wenn kein Fall der Arbeitnehmerentsendung vorliegt und die Förderfähigkeit von der deutschen Sozialversicherungspflicht abhängig gemacht wird. In der Regel sind dies Fälle, in denen der eingesetzte Arbeitnehmer während seiner Einsatzzeit für das Förderprojekt entweder im Ausland wohnt oder im Ausland tätig ist.
Grundsätzlich gilt sowohl im deutschen wie europäischen Sozialversicherungsrecht das Tätigkeitsortprinzip. Das bedeutet, dass die Sozialversicherungspflicht dort besteht, wo der Arbeitnehmer tätig ist. Es stellt sich in einer arbeitsteiligen Welt mit mobilen Arbeitnehmern allerdings die Frage, ob das Tätigkeitsortprinzip zu handhabbaren Lösungen führt. Eigentlich ist die nur der Fall, wenn der Arbeitnehmer während eines längeren Zeitraums ausschließlich in einem Land tätig ist. Hier betrachten wir aber genau die Fälle, in denen das Arbeitsortprinzip entweder zu keinen eindeutigen, zu unangemessenen oder übermäßig verwaltungsaufwendigen Ergebnissen führen würde. Deshalb gelten im Hinblick auf die Europäische Union, den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz besondere Regelungen, die das Arbeitsortprinzip durchbrechen oder modifizieren.
Grundsätzlich postulieren die europäischen Regelungen einen Grundsatz. Die Sozialversicherungspflicht entsteht in allen denkbaren Varianten immer nur in einem Staat. Eine doppelte Versicherungspflicht im EU/EWR-Raum oder der Schweiz ist ausgeschlossen.
Die Ausnahmeregelungen liefern Lösungen für eine Vielzahl von Szenarien:
- Der Arbeitnehmer übt seine Tätigkeit in einem anderen Staat als seinem Wohnsitzstaat aus.
- Ein Arbeitnehmer übt gleichzeitig oder abwechselnd eine oder mehr Tätigkeit in mehreren Mitgliedsstaaten aus.
- Der Arbeitnehmer ist für einen oder mehrere Arbeitgeber in mehreren Mitgliedsstaaten tätig.
- Der Arbeitgeber ist für einen oder mehrere Arbeitgeber tätig, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat haben.
- Der Arbeitnehmer hat mehrere Wohnsitze in verschiedenen Mitgliedsstaaten.
Für die Förderfähigkeit von Personalaufwendungen ist es regelmäßig erforderlich, dass die eingesetzte Person Arbeitnehmer des geförderten Unternehmens ist. Damit entfällt die Förderung von Mitarbeitern in- oder ausländischer verbundener Unternehmen von vornherein.
In der Folge untersuchen wir einige Fälle, ohne alle möglichen Varianten darstellen zu können:
Fall 1: Wohnort des Mitarbeiters und Sitz des Unternehmens im selben Mitgliedsstaat
Befindet sich der Sitz des Arbeitgebers im selben Mitgliedsstaat wie der Wohnort des Arbeitnehmers, ist dieser in diesem Mitgliedsstaat sozialversicherungspflichtig, und zwar unabhängig davon, wo er gewöhnlich tätig wird.
Da bedeutet, dass das geförderte Unternehmen mit Sitz in Deutschland einen ausländischen Arbeitnehmer dann gefördert bekommt, wenn dieser seinen Wohnort nach Deutschland verlegt. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, wo der Arbeitnehmer gewöhnlich tätig wird. Er kann also ausschließlich im Ausland tätig sein. Voraussetzung für die Förderfähigkeit ist nur, dass er einen Wohnort im Inland und das alleinige Arbeitsverhältnis mit dem deutschen Unternehmen hat.
Wird der Arbeitnehmer überwiegend im Ausland tätig, wird er häufig zwei Wohnsitze haben. Damit stellt sich die Frage, was als Wohnort im Sinne dieser Regelung verstanden wird. Gemeint ist bei Doppel- oder Mehrfachwohnsitzen immer der Hauptwohnsitz. Der Wohnort ist dort, wo der Mittelpunkt der Interessen des Arbeitnehmers liegt. Entscheidend sind hierfür familiäre und berufliche Verhältnisse, Aufenthaltsdauer, Beschäftigungssituation, Zuschnitt der Wohnungen und andere Kriterien. Bei einem ledigen Mitarbeiter, der überwiegend im Ausland tätig ist und beispielsweise in seinem Heimatstaat eine Wohnung beibehalten hat, wird der Nachweis der Wohnortverlegung schwer fallen. Bei einem Familienoberhaupt, dessen Familie weiter im Heimatland wohnt, wird der Nachweis der Wohnortverlegung nach Deutschland fast unmöglich sein.
Fall 2: Überwiegende Tätigkeit in Deutschland unter Beibehaltung des Wohnortes im Ausland
Grundsätzlich gilt, dass ein Arbeitnehmer bei Tätigkeit für einen Arbeitgeber in mehren Mitgliedsstaaten in seinem Wohnsitzmitgliedsstaat sozialversicherungspflichtig bleibt, wenn er dort eine wesentlichen Teil seiner Beschäftigung ausübt. Wesentlich im Sinne dieser Vorschrift ist, dass der Arbeitnehmer mindestens 25% seiner Arbeitszeit im Wohnsitzstaat leistet oder mindestens 25% seiner Gehaltsbezüge im Wohnsitzstaat bezieht.
Behält der Arbeitnehmer in seinem Heimatland seinen Wohnsitz, ist er aber bei einem Arbeitnehmer mit Sitz im anderen Mitgliedsstaat tätig und übt er keine wesentliche Tätigkeit im Wohnsitzstaat aus, so wird der Arbeitnehmer im Sitzstaat des Arbeitnehmers sozialversicherungspflichtig.
Ist der Arbeitnehmer für zwei Unternehmen tätig, die ihren Sitz im Mitgliedsstaat des Wohnortes und des Sitzes der Arbeitgebers haben und übt der Mitarbeiter keine wesentliche Tätigkeit in seinem Wohnsitzstaat aus, ist er in dem Mitgliedsstaat sozialversicherungspflichtig, in dem der Sitz desjenigen Unternehmens liegt, das nicht Wohnsitzstaat ist.
Für ein in Deutschland gefördertes Unternehmen heißt das, dass ein ausländischer Arbeitnehmer immer dann in Deutschland sozialversicherungspflichtig ist, wenn
- der Arbeitnehmer weniger als 25% seiner Tätigkeit im Heimatland leistet und
- ein Arbeitsverhältnis mit dem deutschen Unternehmen besteht.
Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitgeber im Heimatland ist dabei unschädlich! Der Arbeitnehmer muss auch nicht den überwiegenden Teil seiner Tätigkeit in Deutschland leisten; er darf eben nur nicht 25% oder mehr seiner Tätigkeit im Heimatstaat leisten.
Hinweise:
- Der sozialversicherungsrechtliche Status sollte dem entsprechenden Sozialversicherungsträger im Heimatland des Arbeitnehmers mitgeteilt werden, bevor die Tätigkeit im Ausland beginnt. Im Ergebnis entscheidet auch dieser Träger, wo der Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig ist.
- Geprüft werden die Voraussetzungen für die Anwendung eines Sozialversicherungsrechtes anhand der geschlossenen Verträge. Prüfungszeitraum ist das Kalenderjahr. Ergeben sich Zweifel, dass die geschlossenen Verträge und der geplante Ablauf der Beschäftigung nicht dem voraussichtlichen Ablauf der Beschäftigung übereinstimmen, kann der Träger auch vom Vertragsinhalt abweichend entscheiden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nicht schlüssig erklärt werden kann, wo der Arbeitnehmer im Ausland untergebracht wird.
- Mit gewissen Einschränkungen gelten vorstehende Bestimmungen auch in Bezug auf die übrigen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (Norwegen, Island, Liechtenstein) und die Schweiz.
- Besonderheiten sind bei Staatsangehörigen aus Drittstaaten zu beachten.
- In den Fällen, in denen ausländische Arbeitnehmer (auch) bei ausländischen Konzerngesellschaften angestellt sind, sind ertragsteuerliche Fragen zu klären. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer gleichzeitig Arbeitsverhältnisse mit einem aus- und inländischen Unternehmen hat. Dann besteht die Gefahr, dass die Angemessenheit konzerninterner Verrechnungen und Kostenverteilungen im Rahmen der Verrechnungspreisbestimmungen sowohl von der in- wie ausländischen Finanzverwaltung geprüft wird.
Autor: Peter Scheller, Steuerberater – Master of International Taxation
Bildquelle: www.fotalia.com
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