Umsatzsteuerliche Organschaft im Konzern
von Peter Scheller
Die umsatzsteuerliche Organschaft ist ein für steuerliche Verhältnisse uraltes Rechtsinstitut. Dieses diente auch als Vorlage für die europarechtliche Gruppenbesteuerungsregel. Diese ist aber deutlich weitergehend als das deutsche Urgestein. Und das führt dazu, dass die deutsche Organschaftsregelung in der jetzigen Form europarechtlich zumindest teilweise unhaltbar wird.
Einzelheiten sind dem Beitrag
Umsatzsteuerliche Organschaft: Deutsche Regelungen europarechtswidrig?
zu entnehmen.
Für Konzerne ist dies auf zweilei Art von Bedeutung:
(1) Nichtunternehmer im Organkreis
In der Rechtssache Kommission gegen Irland hat der EuGH dargelegt, dass auch Nichtunternhemer (korrekterweise eigentlich nicht steuerpflichtige Personen) in einen Organkreis aufgenommen werden können. Das gilt natürlich für nicht geschäftsführende Holdinggesellschaften (Finanzholdings). Nach deutscher Rechtsauffassung konnten diese Holdinggesellschaften nicht Teil des Organkreises sein. Das hat insbesondere dann Nachteile, wenn Leistungen an die Holdinggesellschaften von anderen Konzerngesellschaften erbracht werden. Diese Leistungen müssen nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung die leistenden Unternehmen mit Umsatzsteuer abrechnen, während die Finanzholding die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen kann.
Nach der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH ist außerordentlich zweifelhaft, ob die restriktive deutsche Regelung so noch anzuwenden ist. Es spricht vieles dafür, dass sich Finanzholdings auf die EuGH-Rechtsprechung berufen können und als Teil der Organschaft zu behandeln sind. Dies würde dazu führen, dass Leistungen an die Finanzholdings von anderen Konzerngesellschaften ohne Umsatzsteuer abzurechnen wäre, weil es sich um nicht steuerbare Innenumsätze handeln würde.
Allerdings kann die Einbeziehung der Finanzholdings auch steuerliche Nachteile nach sich ziehen. Da alle Unternehmen einer Organschaft umsatzsteuerlich wie ein einheitliches Unternehmen behandelt werden, hat dieses Gesamtunternehmen jetzt auch einen nicht unternehmerischen Tätigkeitsbereich; nämlich den der Finanzholding. Das kann dazu führen, dass ein Teil der Vorsteuern aus Eingangsleistungen nicht abziehbar ist. Und außerdem kann die erstmalige Einbeziehung einer Finanzholding im Zweifel sogar zu einer Vorsteuerberichtigung für die Vergangenheit nach § 15a UStG führen.
(2) Personengesellschaften als Organgesellschaften
Nach deutscher Rechtsauffassung können Personengesellschaften zwar Organträger, nicht aber untergeordnete Organgesellschaft sein. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfte diese Rechtsauffassung nicht mehr zu halten sein. Wenn schon Nichtunternehmer Teil eines Organkreises auf allen Stufen sein können, ist nicht einzusehen, weshalb dies Personengesellschaften, die umsatzsteuerliche Unternehmer sind, nicht sein dürfen. Das Finanzgericht München hat mit einem Urteil vom 13.03.2013 bereits entschieden, dass eine GmbH & Co.KG Organgesellschaft sein kann.
Die Einbeziehung von Personengesellschaften würde dazu führen, dass insbesondere im mittelständischen Bereich die Zahl der Organschaften sprunghaft ansteigen würden. Solange der deutsche Gesetzgeber die umsatzsteuerliche Regelung nicht ändert, brauchen Unternehmensgruppen mit Personengesellschaften als Organgesellschaften die Organschaftsregelungen nicht anzuwenden. Sollte der Gesetzgeber aber die Organschaftsregelung ändern, würden – zumindest nach deutschem Rechtsverständnis – die Organschaftsregelungen zwingend auf alle Konzerne mit Personengesellschaften im Konzernverbund anzuwenden sein. Und das hätte nicht nur Vorteile:
- Die Organschaftsregelung ist für alle Unternehmensgruppen von Vorteil, die Unternehmen im Verbund haben, die nicht oder nur zum Teil zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Das sind beispielsweise Krankenhaus-, Bank- oder Versicherungskonzerne.
- Für Konzerne, in denen nur zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmen miteinander verbunden sind, ist der Wert einer Organschaft eher zweifelhaft. In der Praxis erweist sich die Organschaft als administrativ anspruchsvoll und deshalb aufwendig. Die umsatzsteuerlichen Werte müssen jeden Monat auf den Organträger hoch konsolidiert werden. Das ist insbesondere dann eine anspruchsvolle Herausforderung, wenn es sich um einen mehrstufigen Konzern handelt und die Zahlen buchhalterisch durch mehrere Unternehmensstufen geschleust werden müssen.
- Außerdem führt die Organschaft dazu, dass die Spitzeneinheit im Konzern grundsätzlich für die Umsatzsteuerschulden aller Konzernunternehmen haftet.
Weitere interessante Einzelheiten findet man bei Feldgen, BB 2013, 2967.
Autor: Peter Scheller, Steuerberater – Master of International Taxation
Bildquelle: www.Fotalia.com
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